10. September bis 16. September 2018:

Diese Tour meistern Thomas und ich zusammen mit einem Wohnmobil entlang der polnischen Ostseeküste Richtung Baltikum. Wir möchten die masurischen Seen kennenlernen, eine Region, in der man immer noch menschenleere ursprüngliche Landschaften findet. Litauen, Lettland und Estland glänzen mit ihren geschichtsträchtigen Städten und machen uns neugierig.

Das Wohnmobil haben wir in Hessisch Lichtenau gemietet und das Parken in Göttingen wird einen Abend vor unserer Abreise die erste Herausforderung. Am anderen Morgen starten um 9 Uhr in Göttingen und fahren auf der Autobahn Richtung Frankfurt/Oder. Unser erstes Ziel soll Poznan (Posen) sein.

Willkommen in Polen

hier sagt man guten Tag – dzień dobry
hier sagt man danke/bitte – dziękuję/proszę

Knapp 600 km bewältigen wir mit einigen Pausen und kommen gegen 21 Uhr in Posen an. Wir bleiben zwei Nächte und zahlen umgerechnet 50 Euro. Der Campingplatz ist sauber und nur 15 min vom Zentrum entfernt.

Mit den Rädern kommen wir bequem in die Altstadt und bewundern die vielen schönen historischen Bauten. Die Stadt liegt waagerecht zwischen Berlin und Warschau sowie senkrecht zwischen Danzig und Prag. Mit über 800.000 Einwohnern ist die Stadt an der Warthe die fünftgrößte Polens.

Am Rathaus suchen wir ein nettes Restaurant, studieren erstmal einige Speisekarten und jeder findet dann etwas Leckeres für sich.

Das Rathaus stammt aus dem 16. Jhd. und zählt zu den bedeutendsten mitteleuropäischen Bauwerken der Renaissance. In den bunten Häusern daneben fand damals das kaufmännische Leben statt, gehandelt wurde mit Fischen, Kerzen und Salz.

Check Point Charlie finde ich an der Stelle ziemlich witzig und skurril.

Gegenüber vom Nationalmuseum halte ich die Kamera auf ein interessantes Werk vom tschechischen Künstler David Cerny. Er schuf aus Edelstahl “Golem”, einen vom Prager Rabbi Löw geschaffenen künstlichen Mann. Der Prager Golem wurde ursprünglich aus den vier Elementen Feuer, Wasser, Erde und Luft geformt und war ein Gehilfe des Rabbis.

Im Kaiserschloss befand sich nach dem ersten Weltkrieg eine mathematische Fakultät der Universität. Drei Absolventen der Uni knackten im zweiten Weltkrieg den Enigmacode und konnten somit die Geheimnachrichten der Deutschen entschlüsseln.

Im Innenhof des Schlosses sehen wir einen Teil der Skulpturen von Magdalena Abakanowicz “Die Unbekannten”. Ich habe nichts über die Geschichte der kopflosen Figuren gefunden, sie bleiben unbekannt.

Öfter taucht die Zahl 1956 auf und erinnert an den Posener Arbeiteraufstand, der vom polnischen Militär blutig niedergeschlagen wurde.

Von der Innenstadt radeln wir weiter über die Warthe-Brücke und halten am Posener Dom. Er ist die älteste Kathedrale des Landes und am Zugang des Domplatzes lädt Papst Johannes Paul II persönlich ein.

Abseits der Altstadt besuchen wir das Viertel Sródka und stehen vor dem in 2015 fertiggestellten 3D-Kunstwerk. Es zeigt die Straßen und Geschäfte vor hundert Jahren, in denen Sródka eine eigenständige Stadt war. Inspiration hierfür gab eine alte Fotografie von 1920 und die abgebildete Metzgerei gab es tatsächlich in diesem Haus.

Poznan – Talty

Ursprünglich wollten wir über Stettin und Danzig Masuren erreichen. Wir entscheiden, die ausgebaute mautpflichtige Autobahn über Warschau zu nutzen und werden die polnische Ostseeküste auf der Rückreise besuchen.

Nachdem wir die Autobahn nach Warschau verlassen, befahren wir Straßen mit tief ausgefahrenen Spurrillen, oft 30 cm hoch. Der Rest der Fahrt wird abenteuerlich und die Gegend immer verlassener.

Ankunft in Talty

In der Nähe von Mikolajki finden wir in einem Ort mit knapp 20 Häusern unseren nächsten Campingplatz. Der Platz ist sehr gepflegt und ein Teil liegt direkt am See.

Die umliegende Gegend ist wunderschön. Eintauchen in die Natur, auf den Wegen radeln wir allein. Die verlassenen Storchennester tauchen in jedem Ort auf und man spürt, der Sommer ist vorbei. Wir können nur hoffen, dass nicht alle Campingplätze mit Saisonende schließen.

Die Menschen leben sehr einfach, die Zeit ist stehen geblieben. Wir fragen uns, wie sie das Leben meistern. Zu wenig wissen wir von Einkommen, Rente und sozialen Leistungen.

Entlang der masurischen Seen

Das Wetter spielt mit und wir radeln Richtung Ketrzyn (Rastenburg), ca. 40 km liegen vor uns. Schnell merken wir, dass auch die Radwege ganz und gar nicht denen in Deutschland ähneln. Das Kopfsteinpflaster fordert unsere Räder, die eine oder andere Schraube muss danach wieder befestigt werden.

Kurz vor unserem Ziel entdecken wir in dem kleinen Ort Wajsznory an der Straße einen Hinweis auf eine Keramikmanufaktur. Wir halten an und bekommen eine nette persönliche Führung.

Vier Männer stellen Lampen, Kerzenhalter, Kacheln und Figuren her und der Inhaber präsentiert uns ganz stolz die fertige Ware, die größtenteils als Souvenir in den Verkauf geht.

Hinter Ketrzyn befindet sich die “Wolfsschanze”, einer der früheren Führerbunker von Adolf Hitler. Sollten wir das Areal erreichen, bleibt uns kaum Zeit zur Besichtigung. Es ist bereits nach 15 Uhr und wir wollen vor Sonnenuntergang wieder zurück sein.

Wir finden die Wolfsschanze eine halbe Stunde später und müssen tatsächlich gleich wieder umkehren. Nicht auszudenken, sollten wir in der Dunkelheit den Rückweg suchen.

Für den Rückweg wählen wir eine kürzere Strecke über Kronowo und ahnen nicht, was uns bevorsteht. Sobald der Weg sandiger wird, gerate ich mit meinem Rad ins Schlingern. Wir kommen immer schlechter vorwärts und ich verliere die Nerven. Bei jedem Halt beißen uns die Mücken und ein Rauskommen ist nicht in Sicht.

Erst sehr viel später lese ich etwas über Wildpferde und habe die Tarpan-Pferde ganz unwissend auf unserer waghalsigen Radtour fotografiert.

Am Ende sind wir doch richtig, die Strapaze hat sich gelohnt und wir sparen Zeit. Zum Abschluss erleben wir vor Talty einen wunderschönen Sonnenuntergang, damit ist das Vergangene schon fast vergessen.

4 thoughts on “Posen und Masuren

    1. Hej Torsten, das Reisen ist hier abenteuerlich und beeindruckend. Abgeschiedene Orte und das Leben muss trotzdem funktionieren. Ich habe tiefen Respekt vor den Menschen, die den Alltag so meistern.

    1. Lieben Dank euch beiden. Wir genießen die Ruhe und die tolle unberührte Natur. Dafür umfahren wir die wenigen Großstädte. Die Abgeschiedenheit verursacht den Urlaub ohne WLAN, deshalb folgen die schönen Bilder später.

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