16. September bis 19. September 2018:

Willkommen in Litauen

hier sagt man guten Tag – laba diena
hier sagt man danke/bitte – ačiū/prašom

Vilnius – Hauptstadt von Litauen

Noch reisen wir unbeschwert und haben ja alles in unserem mobilen Home auf Rädern an Bord. Bewachte Campingplätze geben dazu Sicherheit und Frischwasser.

In Vilnius, der Hauptstadt von Litauen, kommen wir das erste Mal ins Grübeln. Wo verbringen wir die nächsten Nächte, wenn die meisten Campingplätze schließen? Dieser Platz baut morgen alles ab, eine Nacht dürfen wir bleiben.

Mit dem Rad erkunden wir die Stadt, die stolz darauf ist, weit genug vom Wasser entfernt zu sein. So bleibt ihr der Massenansturm der vielen Kreuzfahrttouristen erspart.

An der Kirche St. Michael und Konstantin halten wir spontan, denn heute ist Sonntag und bei 80 Prozent Katholiken sollte in der einen oder anderen Kirche ein Gottesdienst stattfinden.

Ich platze in den Gottesdienst einer orthdoxen Kirche und werde vom herzzereißenden Chorgesang überrascht. Die Gläubigen stehen (es gibt keine Kirchenbänke) vor der Ikonenwand, wobei das Stehen an die Auferstehung Christi erinnern soll. Dahinter befindet sich der Altarraum, der nur den Geistlichen vorbehalten ist. Alle Frauen tragen Kopftücher, nur ich falle ohne Kopftuch mit meiner Neugier auf.

In der City schauen wir in eine Bäckerei und kosten vom frisch gebackenen Apfelblätterteig. Die kleinen Leckereien sind noch ganz warm und im Nu weggeputzt.

Als nächstes gelangen wir zum Kathedralenplatz. Dort steht eine Statue vom Großfürsten Gediminas, der Litauen im 14. Jhd. zur osteuropäischen Großmacht verhalf. Seinen Namen findet man öfter in der Stadt wieder.

Vor dem Eingang der Kathedrale liegt neben dem Glockenturm ein besonderer Pflasterstein. Die Innenschrift des Sterns “STEBUKLAS” steht für Wunder. An dieser Stelle endete 1989 eine Menschenkette von 2 Millionen Esten, Letten und Litauern, die erfolgreich gegen die Besatzung der Sowjetunion demonstrierten.

Am Eingang der Kathedrale St. Stanislaus und St. Ladislaus entdecken wir ein riesiges Plakat, auf dem der Papst abgebildet ist. Wir erfahren, dass Franziskus das Baltikum besucht und uns hinterher reist. Er wird uns leider verpassen (Spaß).

Vom Gediminas Turm haben wir einen fantastischen Blick über Vilinius und man kann unschwer erkennen, warum die Stadt mit ihren über 50 Kirchen als “Rom des Ostens” bezeichnet wird.

Auch “Der Berg der drei Kreuze” ist von hier oben zu sehen. Egal, in welche Ecke wir uns stellen, für uns sind immer nur zwei Kreuze sichtbar. Die 1916 erbauten Kreuze waren den von Kreuzrittern getöteten Franziskanern gewidmet, wurden aber 1950 von den Sowjets gesprengt. 1989 wurden sie als Freiheitssymbol erneut aufgebaut.

Die römisch-katholische Kirche St. Anne und Berhardine gilt als ungewöhnlicher gotischer Bau Litauens. Die Gestalt der roten Backsteinkirche ist seit dem 15. Jhd. unverändert, 33 verschiedene Backsteinarten sind hier verbaut.

Von fremden Mächten gelenkt, landen wir in der freien Republik Užupis, einem Künstlerviertel nicht weit von der Altstadt entfernt. Der Regierungssitz ist das Café “Užupis Kavine”. Einst ein Armen- und Problemviertel von Vilnius, hat sich Užupis zum begehrten Wohnquartier der alternativen Szene entwickelt.

Die eigene Verfassung ist mit 41 Artikeln außen auf einer Bronzetafel befestigt. Einer der über 80 Botschafter ist der Dalei Lama. Eine buddhistische Regel lautet: “Jeder hat das Recht, glücklich zu sein.” Dies beinhaltet Artikel 16 der Užupis-Verfassung und nach Artikel 17 darf auch jeder unglücklich sein.

Bevor es wieder zum Campingplatz zurückgeht, machen wir noch ein paar tolle Fotos am Tor der Morgenröte. Es zählt zu den wichtigsten Kultur- und Architekturdenkmälern der Stadt. Im oberen Teil des Tores befindet sich eine Kapelle mit einer “Muttergottes”, die die Schutzheilige der Litauer und Weißrussen ist.

Auch wenn die Altstadt mit ihrer geschichtsträchtigen wunderbaren Architektur glänzt, kann man die Augen vor den herunter gekommenen Wohnsilos nicht verschließen. Außerhalb des Innenstadtkerns gibt es noch viel zu tun und man kann nur wünschen, dass das nicht erst die übernächste Generation erlebt.

Klaipeda und die kurische Nehrung

In Litauen geht es jetzt zur Ostsee, denn wir wollen später Lettland an der Küste erreichen. Klaipeda hieß bis 1945 Memel, gehörte zu Ostpreußen und erhielt erst nach dem Krieg ihren früheren litauischen Siedlunngsnamen zurück.

Am Stadtrand finden wir im Wald einen gut bewerteten Campingplatz. Die Sanitäreinrichtungen sind OK, sogar ein Speiseraum mit einer gut ausgestatteten Küche kann genutzt werden. Erst nachts merken wir, dass wir unmittelbar an Bahngleisen stehen und jeder Güterzug gefühlt durch unseren Camper rast.

Trotzdem bleiben wir zwei Nächte, bevor wir weiter nach Riga reisen. Auf dem Weg nach Klaipeda schauen wir mit den Rädern am Strand vorbei und dort findet fleißiges Abräumen statt.

Ohne Radwege ist es ein wenig beschwerlich bis zur Altstadt. Wir arbeiten uns durch den Verkehr wieder über Kopfsteinpflaster und einige Häuser sind nicht zu übersehen. Mit der Fähre in Klaipeda wollen wir später die Kurische Nehrung erreichen.

Das große Granitdenkmal “Arka” (Bogen) ist sehr beeindruckend, besonders die Innenschrift “Wir sind ein Volk, ein Land, ein Litauen”. Der graue Teil steht für Großlitauen, der rote für Kleinlitauen und die Abbruchstelle für das russische Kaliningrad.

Für die Hin- und Rückreise mit der Fähre bezahlen wir zusammen zwei Euro und brauchen für eine Überfahrt zehn Minuten. Von der Fähre hat man einen guten Blick auf die Stadt, manchmal sehr unterschiedlich aus verschiedenen Perspektiven.

Nach der Fährüberfahrt nehmen wir den Radweg am Delphinarium vorbei und fahren bis zur nördlichen Spitze der kurischen Nehrung. Von hier aus kann man den Leuchtturm von Klaipeda sehen und norwegische Tanker, die Flüssiggas liefern. Der in 2015 von Norwegen gebaute und vermietete Gasterminal macht Litauen seit ein paar Jahren endlich unabhängig vom Großmonopol Russland. Zukünftig sollen auch Estland, Lettland und Polen davon profitieren.

Es ist sehr windig und kalt geworden, die Tour wird demnach eher klein ausfallen. Nicht die gesamte kurische Nehrung ist problemlos zu befahren, denn die Halbinsel ist geteilt. Eine Hälfte gehört zu Litauen und die andere zum russischen Kaliningrad, für den russischen Teil benötigt man ein Visum. An der Spitze halten wir und kämpfen mit Wind, Wasser und Sand. Trotzdem ist der Blick auf die Insel eindrucksvoll und wir haben Erinnerungen an den von uns geliebten Darß.

Nach einigen Stunden kehren wir mit der Fähre wieder zurück und entdecken im Hafen von Klaipeda ein küssendes Mädchen in Form einer Bronzeskulptur. Für mich liebt und küsst sie die See, was der Künstler sicher ausdrücken will. Nach genauer Recherche erfahre ich, dass am anderen Ufer ein Bronzejunge mit Hund steht, dem der Kuss gelten soll. Nunja so sieht man, was man gern sehen möchte.

4 thoughts on “Litauen mit Vilnius

  1. Eine wunderschöne Reise nach Ostpreußen und ins Baltikum. Für mich wieder ein Teil im Paradies der Erinnerung … – Sanddünen – Bernstein – Klaipeda mit einem Jungen als Flötenspieler “Ännchen von Tharau” – Sextett-Chor im teilweise restaurierten Dom von Königsberg, davor das Kant-Denkmal – und vieles mehr … Ich freue mich mit Euch

    1. Dir gilt großer Dank Hubert, denn ohne dich hätte ich in deiner Heimatstadt Meseritz nichts anfangen können. Der Besuch dort war sehr emotional, als wir im Museum tatsächlich auf den Spuren unserer Familie waren. Ich freue mich auf weiteren Austausch mit dir.

  2. Ich hoffe, Ihr habt auch einen warmen Pullover mit. Hier zieht langsam der Herbst mit Sturm und Regen ein und morgens früh ist es schon richtig kalt (heute 4 Grad). Noch schöne restliche Urlaubstage für Euch, schöne Erlebnisse und eine gesunde Rückkehr.

    1. Danke Christa, dass du wieder an uns denkst. Mittlerweile haben wir Göttingen gesund erreicht und können sogar die kühleren Temperaturen genießen. Jetzt arbeite ich die letzten Stationen auf und du kannst dann noch Neues entdecken. Fühl dich gedrückt.

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