20. September bis 24. September 2018:

Willkommen in Estland

hier sagt man guten Tag – tere päevast
hier sagt man danke/bitte – aitäh/palun

Der Ort scheint nicht sehr groß zu sein und wir erreichen den Platz im Dunkeln, nebenan nur ein einziger Hof. Der Caravanplatz ist eine Perle und bietet höchsten Camperkomfort, alles sieht nagelneu und modern aus. Wenn wir zum Duschen oder zur Toilette eine Tür öffnen, ertönt sofort Musik, das lässt sich aushalten.

Morgens telefoniere ich mit den Eigentümern, um zu wissen, wie und wo wir bezahlen. Sie verbringen gerade ihren Urlaub in Finnland, der Aufenthalt wäre umsonst für uns und wir sollen es einfach genießen. Wie gnadenlos unbürokratisch und unkompliziert, wir können unser Glück kaum fassen.

Mit der Fähre nach Saaremaa

Aus Zeitgründen entscheiden wir uns gegen Tallin, der Hauptstadt von Estland. Zudem haben wir noch Erinnerungen an Tallin von unserer AIDA-Reise und sind eher neugierig auf die Insel Saaremaa im Kreis Saare. Hierfür nutzen wir die 30-minütige Fährverbindung zwischen Virtsu auf dem estnischen Festland und Kuivastu auf der Insel Muhu.

Ein befahrbarer Damm verbindet die Inseln Muhu und Saaremaa und hierüber fahren wir bis Tehumardi, einem Dorf mit 77 Einwohnern und unserem nächsten Stopp. Gelesen habe ich, dass auf Saaremaa ca. 36.000 Einwohner leben und dass durch die westlich abgeschiedene Lage die Insel vom russischen Einfluss weitgehend verschont blieb. Verblüffend, denn zu Sowjetzeiten war die Insel militärisches Sperrgebiet.

In Kuressaare halten wir kurz zum Einkaufen, unsere Vorräte neigen sich dem Ende. Das Angebot im Supermarkt ähnelt dem in Deutschland und hebt sich von dem ab, was wir bisher in den anderen Ländern sahen. Die Soljanka probieren wir mit Vorsicht und sie ist tatsächlich köstlich.

Auf dem Weg zum Campingplatz sehen wir überraschend Kraniche, bekannte Geräusche begleiten uns. Unsere Bleibe ist relativ gut besucht, eine Gruppe von Rentnern bereitet sich anscheinend hier auf ein größeres Treffen vor.

In Sääre befinden wir uns auf der Halbinsel Sõrve, an der Südspitze von Saaremaa. Der Leuchtturm Sõrve tuletorn ist ein fantastisches Fotomotiv. Er steht seit 1960 und in einer Höhe von 52 Metern hat man einen weiten Blick auf die Ostsee.

Die Straßen sind wenig befahren, auch hier überwältigt uns die unberührte Natur auf der wenig besiedelten Insel. Die Birkenwälder erinnern mich an russische sommerliche Märchen, von denen einige damals im DDR-Kinderfernsehen zu sehen waren.

Der Mühlberg von Angla ist mit seinen fünf von ehemals neun Mühlen das Wahrzeichen von Saaremaa. Auf der Insel gab es ursprünglich mal 800 Mühlen.

Bevor wir uns von der Insel verabschieden, halten wir ein zweites Mal in Kuressaare, um einen Blick in die Bischofsburg, im Volksmund Schloss Arensburg genannt, zu werfen. Vor dem Burggraben nehmen wir erstmal großzügig Platz.

Die auf Dolomitblöcken gebaute mittelalterliche Burg beherbergt heute ein Museuum über die Geschichte der Insel Saaremaa.

Wir sagen Adieu Estland und bereuen die knappe Zeit. Ein Wiedersehen ist versprochen und das nächste Mal werden wir die Gegend umfangreicher mit dem Rad erkunden. Heute nutzen wir wieder die bequeme Fährverbindung von der Insel Muhu zum Festland zurück.

Berg der Kreuze bei Šiauliai

Unsere Fahrt geht nun nach Polen zurück, jedoch schaffen wir die Strecke nicht an einem Tag. Ein Halt im litauischen Kaunas bietet hoffentlich einen Übernachtungsort. Vorher halten wir am berühmten Berg der Kreuze, einem katholischen Walfahrtsort in der Nähe von Šiauliai, einer litauischen Industriestadt.

So etwas habe ich noch nie gesehen, es erinnert mich an die Hohenzollernbrücke in Köln, die von unzähligen Liebesschlössern überladen ist. Die Schlösser sollen insgesamt 40 bis 50 Tonnen wiegen und kommen demnächst aus Sicherheitsgründen ab. Auch von diesen Kreuzen habe ich gelesen, dass sie in der Sowjetzeit vom Regime verhasst waren und regelmäßig geräumt wurden. Erst seit der Unabhängigkeit können Pilger aus der ganzen Welt hier ein Kreuz mit einem Wunsch, einem Dank oder zum Gedenken aufhängen. Insgesamt sollen es über 100.000 sein.

Wir müssen uns beeilen, denn am Himmel braut sich ein Gewitter zusammen und unser Wohnmobil steht etwas abseits. Wir schaffen es gerade rechtzeitig, jedoch kommt für einige das Unwetter überraschend ungünstig. Mensch und Tier werden es überleben. Trotzdem ist es der Anblick ungewohnt, wie Bäuerin und Kuh die Hauptverkehrsstraße überqueren wollen.

Umkehr und Zwischenstopp in Kaunas

Die Fahrt geht bei starkem Regen weiter nach Kaunas, der wohl heimlichen Hauptstadt von Litauen. Wir verpassen eine tolle Altstadt und einige interessante Museen. Man kann nicht alles haben und der Weg ins westliche Polen hat Vorrang, was jeder von euch in der letzten Etappe unserer Wohnmobiltour mit verfolgen kann.

Der Platz für die Übernachtung ist zwar nah der Autobahn, aber zum Glück in Ordnung. Wir sind nicht allein und sehen wieder viele deutsche Camper. Morgen geht es weiter nach Danzig und wir befinden uns zurück an der Ostsee.

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